Grundsätze

DhK – Dortmunder helfen in Kooperation e. V. – entstand aus der Betroffenheit der Dortmunder Öffentlichkeit durch Berichte über die kurdischen Dörfer in Nordirak entlang der Grenzen zur Türkei und zum Iran.

Die Hilfe zum Wiederaufbau sollte nachhaltig sein, eine Lebensperspektive im ländlichen Raum ermöglichen, die Teilnahme der Dorfbewohner an allen Planungsentscheidungen ermögichen und für neue, unvorhergesehene Ereignisse offen sein.

DhK war zur Stelle, als der Flüchtlingsstrom aus dem Sindschar-Gebirge über das Governorat Dohuk hereinbrach. Ein Nothilfeprogramm wurde aufgelegt und das Dorfentwicklungszentrum als Verteilzentrum für die Nothilfe genutzt.

DhK bittet aktuell um Spenden für ein Stipendienprogramm, mit dem geflüchtete kurdische Studierende der Universität Mossul bei der Fortsetzung ihres Studiums an der Universität Dohuk unterstützt werden.

Über die Arbeit von DhK informiert der DhK_Flyer.

Die Grundsätze und Ziele des Vereins spiegeln sich auch in seiner Satzung: Satzung des Vereins Dortmunder helfen in Kooperation e.V.

Grundsätze und Arbeitsschwerpunkte

Vortrag vor der Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen am 17. 9. 1994

1. Die Entstehung der Initiative DhK
2. Der politische Hintergrund
3. Das Projektgebiet
4. Die Schwerpunkte unserer Arbeit
5. Die Projekte
6. Die Notwendigkeit einer dauerhaften Hilfeleistung

1. Die Entstehung der Initiative DhK

Die Bilder aus Kurdistan vom Frühling 1991 haben wir noch nicht vergessen, obwohl das Medien-Interesse daran schon längst abgeebbt ist. Bewegt durch diese Bilder und Berichterstattung in den Medien, haben einige aus unserer Stadt sich auf den Weg gemacht, sich mit den Kurden im Irak zu solidarisieren. Daraus entstand eine Büregerinitiative, die auch durch eine breite Öffentlichkeit in Dortmund unterstützt wird.

Eine Besonderheit dabei ist, daß wir von Anfang an versucht haben, eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Dies haben wir vor allem dadurch erreicht, daß wir die Vertreter vieler Schichten zusammenbringen konnten. Die Vertreter beider Kirchen, der Wissenschaft, der Kultur und Verwaltung, der Ärtzteschaft und Politik haben gemeinsam einen Aufruf verabschiedet. Damit konnten viele Menschen, wahrscheinlich durch bekannte Persönlichkeiten beeindruckt, diesem Aufruf folgen und unsere Arbeit unterstützen.

Unsere Arbeit haben wir durch eine Delegationsreise vor Ort vorbereitet. Erst dann haben wir unsere konkrete Arbeit aufgenommen.

2 . Der politische Hintergrund

Unsere ersten beiden Delegationen hatten ziemlich schnell bemerkt, daß die Zerstörung in Kurdistan weit größer ist, als man vorher wußte. Es war wie ein Schock! Überall zerstörte Dörfer, als wären sie tausendjährige Ruinen. Das war ein Werk des irakischen nationalistischen Staates und mit der Zerstörung von 4500 von insgesamt 5000 Dörfern war dieses Werk fast vollkommen. Die Anfal-Kampagne, angefangen 1983, und der Einsatz von Chemiewaffen in Halabdca, 1988, sind zwei Höhepunkte dieses Zerstörungswerkes.

Durch diese Zerstörung ist die kurdische Bauernschaft praktisch ausgelöscht worden. Hunderttausende sind grausam ermordet worden, vor allem Männer. Deshalb gibt es sehr viele Witwen bzw. Witwenfamilien. Dies ist ein besonders schwerwiegendes Problem. Durch die Zerstörung der Dörfer ist den Menschen das wichtigste geraubt worden: ihre Arbeit. Ganze Dorfgemeinschaften sind in sogenannten Modelldörfern untergebracht worden, wo es keine Arbeit gab, und somit die Menschen zu nichtstuenden Almosenempfängern degradiert wurden. Es wurden nämlich monatliche Lebensmittelrationen verteilt. Man bedenke, daß dies nur durch Petro-Dollars möglich war. Ohne diese Öl-Gelder könnte weder Saddam noch irgend ein anderer Diktator sich nicht leisten, 4000 Dörfer zu zerstören und damit eine sehr wichtige landwirtschaftliche Quelle zur Ernährung der ganzen Bevölkerung im Irak beseitigen. Wir Europäer haben durch unseren gewaltigen Ölverbrauch dazu beigetragen. Wir glaubten, die Zurückkehrenden seien diejenigen, die im letzten Frühling auf dem Flucht waren. Dies ist falsch! Mit Zurückkehrenden sind die Dörfler gemeint, die in den Jahren vor dem Golf-Krieg vertrieben worden waren. Und die Witwen-Familien sind diejenigen Familien, deren Männer durch die Vertreibungs-Aktionen verschwunden oder ermordet worden sind. Auch dies war uns unbekannt.

Als wir mit unserer Arbeit angefangen haben, haben wir also mit völlig mittellosen Menschen zu tun gehabt. Auch die Städter waren völlig mittellos. Denn während der Fluchtbewegung haben sie fast alles verloren. Später als sie zu ihren Wohnorten zurückkehrten, fanden sie völlig geplünderte Wohnungen und zerstörte öffentliche Gebäuden bzw. Infrastruktur vor.

Der Herbst 1991 war eine sehr schwierige Zeit für Millionen von Menschen in der Region.

3. Das Projektgebiet

Am Anfang haben wir im Barzan-Tal angefangen. Das Barzan-Tal liegt ca. 40 km östlich der historischen Stadt Amadiya, entlang des Flusses Großer Zab. Das Tal ist sehr fruchtbar und sehr gut für Kleinviehhaltung geeignet. Allerdings ist es,- nach Deportation der gesamten Bewohner durch das Saddam-Regime -, 15 Jahre lang völlig menschenleer gewesen. Alle Dörfer waren dem Erdboden gleich gemacht worden, die Quellen zerstört, die Haustiere beschlagnahmt, die Wälder und die Kulturpflanzen verbrannt worden. Das hat zur Folge gehabt, daß das Tal völlig verwilderte, Kulturpflanzen weitgehend zerstört sind und die Ackerböden jetzt erneut urbar gemacht werden müssen.Bis zu unserem Einsatz im Herbst ’91 gab es im Barzan-Tal kaum ein Haustier!

Die Menschen im Barzan-Tal gehören zu dem Stamm Barzan, dem auch der legendäre Kurdenführer M. Mostafa Barzani angehörte. Um ein Zeichen gegen dieses Symbol des kurdischen Aufstandes im Irak zu setzen, ging die irakische Regierung hier besonders grausam vor und ließ zigtausende Angehörige dieses Stammes ermorden.

Die Menschen aus diesem Gebiet wurden in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Viele von Ihnen lebten jahrelang in Türkisch-Kurdistan oder Iranisch-Kurdistan in Flüchtlingslagern unter schlimmsten Bedingungen. Andere wieder wurden zwangsweise in sog. Modelldörfern (Deportationslager von Saddam bis Ende des Golfkrieges) angesiedelt. Die Menschen aus der Barzan-Region wurden insbesondere in das Deportationslager Kotschtepe verschleppt, das wegen der vielen Witwenfamilien auch das „Witwenlager “ genannt wird. Nach dem Golfkrieg von 1991 kamen viele Vertriebene zurück und haben angefangen ihre Dörfer wiederaufzubauen.

Ein weiteres Einsatzgebiet von DhK ist Nahle, ein christlich-assyrisches Gebiet mit sieben Dörfern. Nahle liegt südöstlich von Amadiya und ist ein sehr fruchtbares Tal. Auch diese Dörfer sind 1987 völlig zerstört und die Bewohner sind deportiert worden. Die Dörfer in Nahle sind ebenso nach dem Kuweit-Krieg teilweise wiederaufgebaut worden. Der Aufbau läuft weiter. DhK hat in Nahle land- bzw viehwirtschaftliche Hilfe geleistet. Diese ist durch die Zusammenarbeit mit GfbV-Südtirol zustande gekommen; d.h. die Projektgelder kommen aus Südtirol.

4. Die Schwerpunkte unserer Arbeit

Grundsätzlich haben wir uns vom Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ leiten lassen. Die in Ihre völlig zerstörten Dörfer zurückgekehrten Menschen hatten nichts in den Händen um sich wieder eine Existenz aufbauen zu können. In dieser Situation war neben der Nothilfe eine Starthilfe zum Wiederherstellen des Dorflebens dringend notwendig. So waren wir zu dem Entschluß gekommen, daß unsere Hilfe schwerpunktmäßig für die Land- bzw. Viehwirtschaft eingesetzt werden muß. Dazu sollte eine Strukturhilfe geleistet werden, die es ermöglichen sollte, zumindestens vorübergehend, autonom leben zu können.

Eine wichtige Rolle hat bei der Arbeit die besonders schwere Situation der Witwen-Familien gespielt. Deren männliche Familienmitglieder sind zum Teil seit fast 20 Jahren verschwunden, seit im August 1983 irakische Soldaten 8000 Männer und Knaben aus dem Lager Kotschtepe verschleppten. Neben der jetzt fehlenden männlichen Arbeitskraft verfügen der Nachwuchs dieser Familien und die Witwen selbst leider auch über zu wenig Kenntnisse bezüglich der Landwirtschaft. So haben wir immer darauf geachtet, daß die Witwen- Familien als erste unsere Hilfe bekommen.

Bei allen Maßnahmen setzten wir immer die Beteiligung der DörflerInnen voraus. Wenn wir z.B. Saatgut verteilt, die nötigen Geräte besorgt und Miete für Traktoren bezahlt hatten, haben die Bauern selbst den Rest der Arbeit erledigt. Eine Ausnahme stellten allerdinds die Witwenfamilien dar,denen wir auch Arbeitskräfte stellten, soweit notwendig.

Bei der Verteilung von Saatgut und Vieh richteten wir uns nach der Personenzahl der einzelnen Familien. Darüberhinaus haben wir bei der Verteilung der Schafe die Zahl der Babys bzw. der Kinder berücksichtigt, deren Versorgung mit Milch ja besonders wichtig ist.

Besonderen Wert legten wir darauf, daß die DörflerInnen immer von vornherein sowohl über den Inhalt als auch über den geplanten Umfang unserer Hilfe informiert waren.Das hat geholfen, die Betroffenen in unsere Arbeit miteinzubeziehen.

Während unseres Einsatzes setzten wir in erster Linie auf menschliche Arbeitskraft. Bei den Kanalbauarbeiten für das Bewässerungsprojekt in Balinda zum Beispiel setzten wir bis auf Traktoren keine Maschinen ein. Einerseits gibt es sowieso zu wenig Maschinen, andererseits wird beim Einsatz von Maschinen die Arbeit zu oft unerträglich verzögert, weil Ersatzteile fehlen.

Eine anderer wichtiger Punkt ist die Berücksichtigung der Besonderheiten der Art des Lebens bei der Bautätigkeit. Seit Jahrtauesenden hat sich der Lehmziegel als besonders günstiges Baumaterial erwiesen. Der Lehmziegel ist ein hervorragendes Isoliermaterial. Dies ist umso wichtiger, wenn man berücksichtigt, das Brennmaterial besonders knapp ist. Außerdem und nicht weniger wichtig ist die Bedeutung der Tierhaltung, d.h. der Milchwirtschaft. In den heißen Sommermonaten, muß Milch kühlgelagert werden. Sonst wird sie schnell sauer und damit unbauchbar. Der Lehmziegelbau ermöglicht es. Außerdem ist es in den Wintermonaten leichter zu heizen.

Viele Organisationen, allen voran UNO, haben nur mit Zement Häuser gebaut. Der bittere Not und die Zeitdruck haben dies begünstigt. Leider hat dies es unterstützt, daß der ohnehin geringe Baumbestand weiter beschädigt wurde, durch erhöhten Heizmaterialverbrauch. Die Benutzung von Zement durch andere Organisationen hat unsere Arbeit erheblich erschwert. Die Familien wollten „moderner bauen“ und verlangten nach Zement. Dennoch konnten wir im Gebiet Welati Jeri die Benutzung von Zement weitgehend vermieden.

Ein wichtiger Punkt zum Schluß: Die verantwortlichen örtlichen Stellen sind im Voraus über unsere Vorhaben informiert worden. Auch mit anderen NGO’s haben wir ständig kooperiert und gegenseitig informiert, auch wenn dies manchmal problematisch war.

5 . Die Projekte

Aufbau der Dörfer

Bisher wurden mit Hilfe unserer Initiative zwei Dörfer , Balinda und Soreywan, komplett wiederaufgebaut. Heute leben in beiden Dörfer jeweils ca. 60 Familien. Es gibt mehrere Familien aus Soreywan, die noch im Iran leben. Diese Familien würden kommen, falls für sie auch Hilfe vorhanden wäre. Weiter haben wir im Gebiet Welati Jeri zum Wiederaufbau von 8 Dörfer beigetragen. Bisher haben die Rückkehrer selbst ihre Häuser gebaut. Dieses Jahr haben wir den Bau von 50 Häuser finanziert. Diese Häuser werden Ende Oktober fertiggestellt.

Die Rehabilitierung der Land- und Viehwirtschaft

Der Schwerpunkt unserer Hilfe ist die Rehabilitierung der Land- und Viehwirtschaft. Bisher haben wir in ca 34 Dörfer Hilfe in diesem Bereich geleistet. Diese Hife umfaßte Saatgut von verschiedenen Getreidesorten, Obstbaumsetzlinge, Nutzvieh wie Hühner, Schafe, Ziegen, Esel, Müllis, Pferde und Ochsen. In Gebieten, wo es keine Straße gibt, sind die Maultiere unersetzbar. Auch Ochsen sind in diesen Gebieten notwendig, weil sonst keine Möglichkeit besteht, Anbau zu treiben. Haustiere wie Schafe und Ziegen sind vor allem für Witwenfamilien eine sehr geeignete Hilfe. Die Witwen können sehr schwer Landwirtschaft treiben. Haustiere aber können sie leichter halten, sie sind mit dieser Arbeit viel vertrauter.

Strukturhilfe

Das Wiederentstehen der Dörfer ist ein äußerst komlpizierter Prozeß. Die durch Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende entstandenen Strukturen sind vollkommen zerstört worden. Es ist nicht leicht, diese Lebenseinheiten in kurzer Zeit vollkommen wieder entstehen zu lassen. Dennoch das Notwendigste muß geschehen, damit die Dörfer sich weiterentwickeln können. Ein kleines Zeichen, das den Bauern ein Zukunft zeigen kann, ist unverzichtbar. Deshalb versuchen wir eine gewisse Strukturhilfe zu leisten, wo wir nur können. Dazu gehören vor allem Bewässerungsanlagen, Wassermühlen, Brücken und die Bezahlung der Arbeitkräfte für Witwenfamilien.

6. Die Notwendigkeit einer dauerhaften Hilfeleistung

Heute sind die Dörfer, die unsere Hilfe bekommen weitgehend in der Lage, sich selbst zu versorgen. Dies ist ein Verdienst unserer dauerhaften Hilfeleistung. Doch müssen wir wissen, daß das ganze noch mit einemm sehr dünnen Faden gebunden ist. Das Leben im Dorf hat viele vorteile. Dennoch die Faszination der Städte ist mächtig. An dieser Stelle hätte ich gern darüber einige Gedanken geäußert. Die Zeit ließ es nicht zu, da ich erst vor Kurzem aus Kurdistan zurück kam.

Abgesehen von der jetzigen sehr schwierigen Lage in Kurdistan, wird es auch in Zukunft für die Dörfer nicht leicht sein. Bevölkerungswachstum ist eines der Probleme. Die Armut verbreitet meist zuerst in den ländlichen Gegenden. Wenn diese Probleme nicht vermieden werden, kann das Leben in den Dörfern längerfristig keine Zukunft haben!

Die Frage ist, wie dies geschehen kann?

Hasan Sinemillioglu

(Dieser Text wurde auf einer Veranstaltung der Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen am 17. 9. 1994 vorgetragen.)