Dorfentwicklungszentrum Berwari Bala

Das Dorfentwicklungszentrum im Dorf Qumri im Distrikt Berwari Bala liegt ungefähr in der Mitte zwischen den 64 Dörfern, in denen DhK den Wiederaufbau unterstützte. Es wurde mit Förderung durch das BMZ und mit einem Beitrag der kurdischen Regionalregierung errichtet und 2011 eröffnet. In der Anlaufphase von 2012 bis 2013 wurde der Betrieb des Zentrums ebenfalls vom BMZ unterstützt (der folgende Text enthält Auszüge aus dem Abeschlussbericht).
Das Zentrum  soll die Entwicklung des Gebietes begleiten, die Bauern beraten, Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen organisieren, die sektoralen Tätigkeiten verschiedener Akteure koordinieren und die Dorfstrukturen verbessern.

Aus der Arbeit des Dorfentwicklungszentrums

Das Entwicklungszentrum umfasst einen großen Raum für Konferenzen bzw. Fortbildungsmaßnahmen für Gruppen bis zu 50 Personen, einen Verwaltungsraum, eine Küche und die erforderlichen sanitären Einrichtungen.
Die Ausstattung erfolgte mit Mitteln der Regionalregierung.
Das Zentrum erfüllt damit alle Anforderungen an ein funktionsfähiges Seminar- und Tagungshaus. Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter betreuten das Zentrum in den ersten beiden Jahren gemeinsam  (jeweils mit einer halben Stelle).
Das Zentrum wird von KURDS in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium der kurdischen Regionalregierung betrieben. Das Ministerium stellt seine Fachkräfte für Fortbildungs- und Beratungsmaßnahmen zur Verfügung. Von Anfang an wurde das Entwicklungszentrum intensiv für Kurse genutzt (Tab. 1).

Den Schwerpunkt bildeten Maßnahmen zur landwirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere Kurse zur Pflege von Obstbäumen, v.a. Apfelbäumen, denn Äpfel sind das wichtigste landwirtschaftliche Produkt der Region. Am Ende der Kurse erhielten die Teilnehmer Werkzeuge und Geräte (Baumscheren, Nähmaschinen, Frisörscheren). Bereits in den ersten beiden Jahren konnten Obstbauern aus allen Dörfern des Projektgebietes unterrichtet werden, die ihre neu erworbenen Kenntnisse an Kollegen weitergeben werden.
Ähnlich erfolgreich waren die Kurse zur Bienenhaltung. Honig ist ebenfalls eines der wenigen Exportprodukte der Region. Für das Entwicklungszentrum wurde die erste Honigzentrifuge im Projektgebiet beschafft, die sich die Imker dort ausleihen können. Die landwirtschaftlichen Kurse wurden von Experten der zuständigen Behörde (Directorate of Agriculture) durchgeführt.
In den Schulferien wurden Nachhilfekurse in Mathematik angeboten, um die Schüler auf die Aufnahmeprüfung für den Besuch weiterführender Schulen vorzubereiten. Stark nachgefragt waren auch Kurse für Computeranwendungen (MS Word und Excel) für Jugendliche. Während des Ramadan-Monats August 2013 kamen an 18 Tagen am späten Abend (22 – 24 Uhr) 20 männliche Jugendliche im Entwicklungszentrum zusammen, um vor den bevorstehenden Parlamentswahlen ihre Kenntnisse über das politische System und die öffentliche Kultur in Debatten und Streitgesprächen zu verbessern.

Solche Angebote konnten nicht vor dem Start des Programms geplant werden; sie entstanden als Reaktion auf Bedarf, der von den Menschen im Projektgebiet im Austausch mit den Entwicklungsmanagern und dem lokalen Projektträger angemeldet wurde.

Auch die Kursangebote für Frauen (Nähen und Schneidern, Frisur und Kosmetik) befriedigen dringenden Bedarf. Die lokal getragene Kleidung kann nur in den relativ weit entfernten Städten der Region gekauft werden und belastet die Haushaltsbudgets empfindlich. Der Näh- und Schneiderkurs verfolgte daher auch das Ziel, den Teilnehmerinnen Grundkenntnisse in der Anfertigung eigener Kleider und gegebenenfalls den Einstieg in eine nebenberufliche Einkommensquelle zu ermöglichen.
Die beiden Kurse in Rechtskunde, an denen Frauen und Männer teilnahmen, dienten vor allem der Verbreitung und Verbesserung von Grundkenntnissen über die besonderen Rechte von Frauen und Kindern.
Die Kurse über den Umgang  mit Landminen (Beseitigung und Vermeidung) richteten sich vor allem an die Bewohner der grenznahen Dörfer, wo von Minen immer noch eine Gefahr vor allem für Kinder, Holzsammler und Hirten ausgeht. Die Kurse wurden von Expertinnen einer norwegischen NGO durchgeführt und von Männern und Frauen aus allen betroffenen Dörfern besucht.

Tabelle 1: Aktivitäten des Dorfentwicklungszentrums (Juli 2011 – Dez. 2013)
Kurs An-zahl Dauer (Tage) Zielgruppe Teiln./
Kurs
Dörfer Anmerkungen
Obstbaumschnitt 22 1 Obstbauern 10 alle Directorate of Agric.; vorw. in den Dörfern; Grundausstattung
Biologische Düngung 1 1 Landwirte 16 5 Directorate of Agriculture
Bienenhaltung 5 1 Imker 8 – 10 10 Honigzentrifuge beschafft
Viehimpfung 5 1 Tierhalter 10 10 Directorate of Agriculture
Umweltschutz 5 1 Landwirte 10 10 v.a. Baumschutz;
in 5 Dörfern
Computeranwendungen 9 10 Jugendliche (w./m.) 13 – 16 7 z.T. in den Dörfern (MS Word, Excel)
Nachhilfe in Mathematik 2 15 12. Jahrgang 20 3 Vorbereitung auf Abschlussprüfung
Nachhilfe in Englisch 1 15 12. Jahrgang 20 2 Vorbereitung auf Abschlussprüfung
Political awareness 1 18 Jungwähler 20 Wahlvorbereitung
Scientific debate 1 1 Lehrende 15 9 Lehrerfortbildung
Rechtskunde 2 1 Frauen und Männer 15, meist Frauen Frauen-, Kinderrechte
Nähen und Schneidern 2 20 Frauen 10 7, 8 Grundausstattung inkl. Nähmaschine
Frisur, Kosmetik 1 10 Frauen 10 4 Grundausstattung
Landminen 6 2 Grenzdörfer 12 – 17 durch 2 NGOs
Sportfest 1 9 Jugendliche alle Sportplatz in benachbartem Dorf
Interkommunale Kooperation 1 1 Muhtars 10 5 Austausch der Dorf-bürgermeister
Abstimmung mit Lokalverwaltung 1 1 Verwaltungs-Angestellte 8 Zukunft des Entw.-Zentrums

Das Treffen der Dorfbürgermeister, an dem auch Vertreter der Regionalverwaltung teilnahmen, bildete den Einstieg in eine bessere Zusammenarbeit innerhalb der lokalen Verwaltung. Die Dorfältesten sind bisher nur wenig vernetzt. Das Treffen diente auch der Überwindung der sektoralen Gliederung der Regionalverwaltung.
In einem Nachbardorf des Entwicklungszentrums wurde vom lokalen Projektpartner in Zusammenarbeit mit der Lokalverwaltung ein 9-tägiges Sportfest mit Fußball-, Volleyball- und Tischtenniswettbewerben durchgeführt. An der abschließenden Siegerfeier nahmen auch der Direktor des Regierungsbezirks teil. Es war seit langem der erste Anlass, der Jugendliche und Erwachsene aus allen Dörfern des Programmgebietes zusammenführte. Das Sportfest förderte auch die Zusammenarbeit des Entwicklungszentrums mit der Dorfbevölkerung.

Ab Juli 2014 konnten keine Kurse mehr durchgeführt werden, weil das Entwicklungszentrum für die Notversorgung der Flüchtlinge aus dem Iraq und aus Syrien benötigt wurde. Die geplanten und großenteils bereits vorbereiteten Kurse (u.a. zu Genderbeziehungen, Infektionskrankheiten, Erste Hilfe, Tröpfchenbewässerung, Herrenfrisör) sollen nachgeholt werden, sobald das Entwicklungszentrum wieder zur Verfügung steht.

Im Juni und Juli 2012 führte das Entwicklungszentrum mit Unterstützung durch KURDS eine Haushaltsbefragung (baseline survey) in allen 13 Dörfern der Projektregion durch. In 11 Dörfern wurde jeder Haushalt erfasst, in zwei Dörfern jeder zweite.
Die Befragung lieferte Basisinformationen über die Sozial- und Wirtschaftsstruktur, die Landverteilung, den Baubestand und die Erwartungen an die Arbeit des Entwicklungszentrums.
Die Fragebögen wurden mit dem lokalen Partner KURDS erstellt, in die kurdische Sprache übertragen und nach einem Pretest leicht überarbeitet.
Das Team bestand aus vier Lehrern und Lehrerinnen aus der Projektregion. Es wurde von einem der beiden Entwicklungsmanager des CDC, der selbst eine Schule leitet, koordiniert.
Insgesamt wurden 512 Interviews durchgeführt, von denen 500 ausgewertet werden konnten. Einige Ergebnisse sind im Anhang exemplarisch wiedergegeben.

Erreichen der angestrebten Projektziele

Zum Erreichen des Projektziels „Verbesserung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung in den Bereichen Landwirtschaft und Bildung“ konnte die Arbeit des Entwicklungszentrums wesentliche Beiträge leisten:

  • Die Pflege der Obstbäume wurde professionalisiert, der Ernteertrag gesteigert und verstetigt.
  • Die Honigproduktion wurde durch Beratung gesteigert; durch die Beschaffung einer Zentrifuge wurde die Ausbeute erhöht und die Qualität verbessert.
  • Die Erträge aus der Viehhaltung wurden durch die Einweisung in moderne Impfmethoden vermehrt und gesichert.
  • Viele Jugendliche wurden in die Arbeit mit Computern eingewiesen.

Besonders erfolgreich waren die Angebote an Frauen. In 7 bzw. 4 Dörfern verfügen Frauen nun über fachliche Näh- und Schneidereikenntnisse (und eine Nähmaschine) und über Grundkenntnisse in Frisuren und Kosmetik. Einige werden damit nebenberufliche Einkommen erzielen.

Das zweite Projektziel „Steigerung der Selbstorganisations- und Selbstverwaltungskompetenzen“ war ungleich schwieriger zu erreichen. Die dafür erforderlichen Konzepte und Maßnahmen waren dem lokalen Partner und den ‚Dorfentwicklungsmanagern‘ nur mühsam zu vermitteln, auch die kommunalen und regionalen Entscheidungsträger sind noch nicht noch nicht bereit, Kompetenzen abzugeben oder partizipative Prozesse zu akzeptieren. Die Dorfbewohner erwarten nach vielen Jahren der Abhängigkeit von Flüchtlingshilfe und staatlichen Transferprogrammen den Anstoß für Verbesserungen ihrer Lebenslage noch immer von der Verwaltung.

Der Erfahrungsaustausch der Dorfbürgermeister im Entwicklungszentrum war ein erster Schritt zu interkommunaler Abstimmung und Zusammenarbeit und zur Stärkung ihrer Position gegenüber den übergeordneten Behörden auf Distrikt- und Regionsebene. An mehreren Kursen nahmen Dorfbürgermeister als Beobachter oder in ‚zeremonieller Funktion‘ teil. Sie konnten dabei aktive Ansätze zur Dorfentwicklung jenseits der Verwaltungsroutine kennlernen.

In der Schlussphase des Projekts war eine weitere Erhebung vorgesehen, die genauere Informationen über die Wirkungen der Maßnahmen erbringen sollte. Geplant waren vertiefende Gespräche mit Personen, die in der ersten Befragung ihre Mitwirkungsbereitschaft angegeben hatten, und an Interviews mit Bürgermeistern. Die Flüchtlingswelle, die das Projektgebiet im Juli überrollte, ließ dazu keine Möglichkeit mehr. Das Entwicklungszentrum wurde für die Verteilung der Nothilfe umfunktioniert und der lokale Projektpartner KURDS war mit Projekten zur Flüchtlingshilfe voll ausgelastet.

Bedeutung des Projektes

Das Entwicklungszentrum wurde in den zweieinhalb Jahren seiner Tätigkeit zu einer festen Institution im Projektgebiet. Es übernahm regelmäßige Aufgaben der landwirtschaftlichen Beratung, der beruflichen Bildung, der Betreuung von Jugendlichen, der Information der Frauen über ihre Rechte und der Unterrichtung der Bevölkerung über den Schutz vor Landminen. Immer mehr Wünsche über Kursangebote werden aus den Dörfern an das Zentrum herangetragen.

Auch in der lokalen und regionalen Verwaltung ist das Entwicklungszentrum angekommen. Das Directorate of Agriculture richtet dort regelmäßig Fortbildungskurse aus; eine andere Einrichtung steht im Bezirk dafür nicht zur Verfügung. Die Dorfbürgermeister erkannten die Vorteile des Zentrums als zentraler und gut ausgestatteter Treffpunkt; sie werden sich auch weiterhin dort zu Abstimmungsgesprächen versammeln.
Diese Wertschätzung wurde deutlich artikuliert, als alternative Modelle zur Fortführung des Entwicklungszentrums mit den lokalen und regionalen Behörden diskutiert wurden. Die Dorfbewohner sprachen sich gegen eine Übergabe des Zentrums an die Regierung und für eine Übergabe an den lokalen Projektpartner KURDS in Kooperation mit den örtlichen Gemeinden und mit weiterer Begleitung durch DhK aus.

Mit KURDS und Bürgermeistern aus dem Bezirk wird z.Z. ein Nutzungsvertrag über 5 Jahre vorbereitet. Die Zustimmung des Kreisdirektors von Kani Mase liegt bereits vor.